Zwischen fauligem Gestank, herumschwirrenden Fliegen und bröckelndem Putz entfaltet sich in Göttingen ein Wohn-Drama, das nach Antworten schreit.
Der erste Schritt ins Grauen

Schon an der Haustür schlägt einem eine wolkenartige Müllwand entgegen: überquellende Säcke, Altreifen und Elektroschrott türmen sich bis an die Decke. Ein beißender Ammoniakgeruch kriecht durch das ganze Treppenhaus—für viele Bewohner beginnt jeder neue Tag mit Würgereiz und Atemschutzmaske.
Auf dem Hof rostet ein Autofriedhof vor sich hin, Ratten flitzen zwischen Karosserien und Pizzakartons. Kinder spielen inmitten von Glasscherben, weil es nirgendwo sonst Platz gibt.
Und doch stellt sich die Frage: Wer hat diese Katastrophe zu verantworten?
Eigentümer-Puzzle und geplatzte Träume

Der Plattenbau an der Groner Landstraße zählt 432 Wohnungen, rund 700 Menschen – einst ein Vorzeigeprojekt der 1970er, heute ein Mahnmal des Versagens. 80 Prozent der Einheiten gehören einer insolventen Immobilienfirma, während 70 Kleinst-Eigentümer um den Rest ringen.
Seit dem Insolvenzantrag 2023 liegen alle Reparaturen auf Eis: defekte Aufzüge bleiben still, bröselnde Fassaden ungesichert. Zwischen den zerfallenden Mauern verdichten sich Angst und Resignation.
Doch das wahre Ausmaß des Leidens zeigt sich erst hinter den Wohnungstüren …
Alltag auf der Kippe

In vielen Zimmern wuchern Schabenkolonien, Bettwanzen saugen sich an Matratzen fest und Rattennester verstopfen Sanitärrohre. Bewohner berichten von brennenden Kabeln, die nachts Funken schlagen, und von Wasser, das tageweise komplett ausfällt.
Sebastian Fesser, selbst Miteigentümer, fasst es zusammen: „Hier stinkt alles bestialisch – manche Wohnungen sind ausgebrannt, andere bis unters Dach vermüllt.“ Jeder Gang durch das Stockwerk wird zum Risiko für Kinder, Alte und Schwangere.
Wie reagiert eine Stadt, wenn das Elend mitten in ihrem Herzen wuchert?
Behördliche Großoffensive

Am 22. Juni 2025 marschierten 19 Einsatzkräfte von Ordnungs-, Veterinär- und Polizeibehörden durch das Gebäude. Ergebnis: 121 leerstehende Wohnungen ohne Türen, teilweise verrußt, manche mit herrenlosen Hundewelpen. Oberbürgermeisterin Petra Broistedt spricht von „unbewohnbaren Zuständen“ und fordert Gesetzesänderungen, um schneller eingreifen zu können.
Die Stabsstelle für prekäre Wohnimmobilien prüft Zwangsanordnungen, während Feuerwehr und Bauamt Brandlasten dokumentieren. Trotzdem bleibt der Müllberg nach jeder Kontrolle – die Misere wirkt inzwischen wie ein gordischer Knoten.
Doch wer soll die Millionen schultern, die eine Rettung verschlingt?
Geld, Gesetze und gute Taten

Die Stadt erwägt, Mietkostenübernahmen bei Sozialleistungen zu stoppen, um Druck auf Vermieter auszuüben. Insolvenzverwalter, Kleinsteigentümer und Banken verhandeln über ein Sanierungskonzept, das auf mindestens zwölf Millionen Euro geschätzt wird.
Währenddessen organisieren Ehrenamtliche „Gö-Cleanup“-Aktionen, schleppen Säcke aus den Fluren und verteilen Hygienepakete. Ohne eine rechtliche Lösung droht jedoch der ewige Rückfall ins Chaos.
Bleibt noch ein letzter Blick nach vorn – gibt es überhaupt Hoffnung?
Der mögliche Neuanfang

Bis Ende Oktober soll ein Gefahrenabwehrplan stehen: blockierte Fluchtwege freiräumen, Stromleitungen sichern, Schimmel beseitigen. Erste Investoren zeigen Interesse, falls die Stadt Vereinfachungen beim Baurecht zusagt.
Für die Bewohner geht es jetzt um jede Woche ohne neuen Brand, ohne neuen Mäusebiss. Ob die Groner Landstraße zum Sanierungs-Leuchtturm wird oder zum ewigen Schandfleck, entscheidet sich in den kommenden Monaten.
Bleiben Sie dran – wir berichten, sobald das nächste Kapitel geschrieben wird.