
Ein stiller Killer zieht seine Kreise – und nur wenige wissen überhaupt von seiner Existenz. In einer bayerischen Kleinstadt wurde erneut ein Mensch Opfer eines unsichtbaren Erregers, dessen Herkunft im Dunkeln liegt. Während die Behörden fieberhaft nach Antworten suchen, wächst die Verunsicherung. Die Erkrankung ist selten, aber extrem gefährlich. Besonders beunruhigend: Der Erreger kommt nicht aus fernen Ländern, sondern scheint hierzulande fest verwurzelt zu sein.
Bisher gibt es keinen Impfstoff. Trotzdem wissen viele Menschen kaum, wie sie sich schützen können. Inzwischen rückt die Region in den Fokus der Gesundheitsbehörden. Was steckt hinter dem mysteriösen Virus – und was bedeutet das für die Menschen in Bayern? Ein Überblick über das, was bisher bekannt ist.
1. Ein Todesfall – und viele offene Fragen

Der Tod eines Mannes in Oberbayern durch das Borna-Virus hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Auch ein zweiter Patient wird derzeit behandelt. Beide stammen aus dem Raum Pfaffenhofen an der Ilm. Noch steht nicht fest, wie sich die Betroffenen genau infiziert haben. Die Behörden ermitteln derzeit, ob es gemeinsame Kontaktpunkte oder örtliche Risikofaktoren gibt.
Der Fall zeigt, dass diese Krankheit mehr ist als ein theoretisches Risiko. Der Name „Borna-Virus“ klingt für viele exotisch – dabei hat er längst die Realität vor Ort erreicht. Die Bevölkerung ist verunsichert, zumal übertragbare Krankheiten in ländlichen Regionen sonst selten Schlagzeilen machen. Doch was steckt tatsächlich hinter dem Erreger – und wie groß ist die Gefahr?
2. Was ist das Borna Disease Virus 1 (BoDV-1)?

Hinter dem harmlos klingenden Kürzel BoDV-1 verbirgt sich ein hochgefährlicher Erreger, der vor allem das Gehirn angreift. Das Virus wurde ursprünglich bei Tieren entdeckt – insbesondere bei Pferden und Schafen. Erst seit 2018 ist wissenschaftlich gesichert, dass es auch beim Menschen lebensbedrohliche Enzephalitis, also Gehirnentzündungen, verursachen kann.
Der Verlauf ist oft rasant und endet meist tödlich. Erste Symptome ähneln einem grippalen Infekt, bevor neurologische Ausfälle einsetzen. Eine gezielte Therapie gibt es bisher nicht, ebenso wenig eine Impfung. Die Diagnose ist schwierig, da der Erreger selten und schwer nachzuweisen ist. Wer Symptome zeigt, ist in der Regel bereits schwer erkrankt – das macht Früherkennung extrem kompliziert.
3. Der heimliche Wirt: Feldspitzmäuse im Visier

Das Virus hat einen unscheinbaren, aber gefährlichen Wirt: die Feldspitzmaus. Diese kleinen Tiere tragen das Virus offenbar dauerhaft in sich und scheiden es über Urin, Kot und Speichel aus. Dabei zeigen sie selbst keine Symptome – ein klassischer Fall von Reservoirwirt. Besonders tückisch: Die Tiere leben in ländlichen Gebieten, Gärten oder Holzschuppen – also oft ganz nah an Menschen.
Wer unbeabsichtigt mit kontaminierter Erde, Wasser oder Lebensmitteln in Berührung kommt, könnte sich anstecken. Dennoch ist der genaue Übertragungsweg unklar. Das macht die Prävention so schwierig. Es braucht keine direkten Bisse – schon indirekter Kontakt mit Ausscheidungen kann gefährlich sein. Deshalb: Spitzmäuse keinesfalls anfassen!
4. Gefährliche Nähe: Wie das Virus zum Menschen gelangt

Die Übertragung des Borna-Virus erfolgt vermutlich über mehrere Wege – auch wenn die genaue Infektionskette bislang nicht vollständig entschlüsselt ist. Forscher vermuten, dass das Virus durch Schmierinfektionen, also den Kontakt mit kontaminierten Oberflächen oder Erde, aufgenommen wird. Möglich ist auch eine orale Aufnahme durch verunreinigte Lebensmittel oder Wasser.
Einfache Gartenarbeiten ohne Handschuhe könnten so zur Gefahr werden. Gerade in betroffenen Regionen sollten Menschen besonders vorsichtig sein, wenn sie mit toten Tieren, Tierkot oder Erde in Berührung kommen. Das Tragen von Schutzhandschuhen sowie gründliches Händewaschen sind einfache, aber wichtige Schutzmaßnahmen. Denn die Gefahr ist real – und sie lauert oft im Verborgenen.
5. Symptome und Verlauf: Wenn das Gehirn versagt

Die durch BoDV-1 ausgelöste Enzephalitis gehört zu den dramatischsten Krankheitsverläufen, die Viren verursachen können. In den ersten Tagen fühlen sich Betroffene oft nur grippig – mit Fieber, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Doch rasch folgen neurologische Symptome wie Verwirrtheit, Krampfanfälle oder Lähmungen. Das Gehirn wird zunehmend in Mitleidenschaft gezogen.
Viele Patienten fallen binnen weniger Tage ins Koma. Die Sterblichkeit liegt bei bis zu 90 Prozent – selbst bei intensiver medizinischer Versorgung. Heilungen sind äußerst selten und meist nur bei sehr früher Diagnose möglich. Für Angehörige ist die Erkrankung besonders schwer zu ertragen, da sie meist rasch und unerbittlich verläuft. Deshalb ist der Ruf nach besserer Früherkennung laut.
6. Bayern im Fokus: Warum gerade hier?

Seitdem die Krankheit 2020 meldepflichtig wurde, verzeichnet das Robert Koch-Institut fast jedes Jahr mehrere bestätigte Fälle – der Großteil davon in Bayern. Warum gerade diese Region betroffen ist, ist Gegenstand laufender Forschung. Vermutet wird ein hohes Vorkommen von Spitzmäusen und geeigneten Lebensräumen in bestimmten Gebieten.
Auch das Klima könnte eine Rolle spielen. Zudem scheinen lokale Umweltbedingungen die Virusverbreitung zu begünstigen. Das bedeutet nicht, dass andere Bundesländer sicher sind – doch die meisten bekannten Fälle stammen eindeutig aus Süddeutschland. Für die Gesundheitsämter ist Bayern daher eine Schlüsselregion. Das erklärt auch die intensive Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).
7. Schutz und Prävention: Was jeder selbst tun kann

Angesichts der Bedrohung durch BoDV-1 fragen sich viele Menschen: Wie kann ich mich schützen? Die Antwort beginnt mit Aufklärung. Wer in ländlichen Regionen lebt, sollte den Kontakt zu Spitzmäusen und deren Ausscheidungen meiden. Tote oder lebende Tiere niemals mit bloßen Händen anfassen. Gartenarbeiten idealerweise mit Handschuhen durchführen.
Auch Haustiere können potenziell Kontakt zu infizierten Spitzmäusen haben – hier ist besondere Vorsicht geboten. Lebensmittel sollten gründlich gewaschen, Trinkwasser nicht aus zweifelhaften Quellen bezogen werden. Aufklärungskampagnen sind essenziell, da viele Menschen das Risiko bislang unterschätzen. Prävention ist derzeit der einzige wirksame Schutz – denn eine Therapie oder Impfung gegen das Virus gibt es bisher nicht.