Ein empörter Oberbürgermeister, verwirrende Gesetzeslage und eine Summe, die ganz Deutschland diskutieren lässt: 2.700 Euro Sozialleistung bei nur 150 Euro Minijob – was steckt wirklich hinter dem Aufschrei aus Duisburg?
Sören Link schlägt Alarm

Der Duisburger SPD-Oberbürgermeister Sören Link ging am Wochenende ungewöhnlich scharf an die Öffentlichkeit. In Interviews sprach er von „systematischem Missbrauch“ und prangerte Fälle an, in denen Zuwanderer mit nur wenigen Arbeitsstunden pro Monat dennoch Leistungen in Höhe von rund 2.700 Euro für eine sechsköpfige Familie beziehen. Für Link ein „Schlag ins Gesicht“ aller regulär Beschäftigten.
Sein Zorn trifft nicht allein die Betroffenen, sondern auch Bund und EU, die mit ihren Regelungen falsche Anreize setzten. Doch wie genau rechnet sich diese vielzitierte Summe zusammen? – weiter geht’s mit der verblüffenden Mathematik hinter dem Skandal.
Das Rechenbeispiel: 150 Euro Job, 2.700 Euro Bürgergeld

Statt eines Vollzeitlohns genügt ein geringfügiger Minijob von rund 150 Euro brutto. Aufgestockt wird dann mit Bürgergeld für zwei Erwachsene, Kinderregelsätzen, Miet- und Heizkosten sowie Kinderzuschlag. Macht in Summe knapp 2.700 Euro Netto-Verfügbarkeit – steuerfrei.
Wer die Zahlen prüft, erkennt: Möglich wird das durch Kombination mehrerer Rechtsansprüche, nicht durch einen einzigen „Topf“. Ein Konstrukt, das längst nicht nur in Duisburg ausgenutzt wird… und dessen Wurzel in Brüssel liegt. Lassen Sie uns die europäische Dimension beleuchten.
EU-Freizügigkeit als Einfallstor

Seit 2014 gilt, dass EU-Bürger hierzulande bereits durch einen Mini-Arbeitsvertrag als „Arbeitnehmer“ gelten. Damit entfällt grundsätzlich jede Aufenthaltsbeschränkung; ergänzende Sozialleistungen sind zulässig. Ein fünfstündiger Putz- oder Abriss-Job kann also formal reichen, um den Anspruch auszulösen.
Kritiker monieren, kriminelle Vermittleragenturen nutzten dieses Schlupfloch: sie melden Menschen an, sichern sich einen Teil der Leistung und lassen ganze Häuserblocks verfallen. Die Stadt Duisburg kämpft seit Jahren mit exakt diesen Strukturen – doch woran scheitert das Gegensteuern bislang? Ein Blick auf die politischen Fronten.
Falsche Anreize – und wer sie ändern will

Link fordert, Minijob-Grenzen im Aufenthaltsrecht drastisch anzuheben. Unterstützt wird er von Kommunalverbänden, die sich angesichts explodierender Sozialetats überfordert fühlen. Gewerkschaften wiederum warnen vor Pauschalverdacht gegen Arbeitsmigranten, pochen aber auf mehr Zoll-Kontrollen gegen Lohndumping.
Trotz aller Erklärungen bleibt das Gefühl: Das System belohnt Nicht-Arbeit stärker als Niedriglohn-Arbeit. Doch erst in Berlin entscheidet sich, ob es bei Empörung bleibt oder Gesetze folgen. Welche Parteien schalten jetzt auf Alarm?
Berlin und Düsseldorf reagieren

CDU/CSU setzen im Bundestag auf strengere Nachweispflichten und eine Karenzzeit für EU-Zuwanderer, bevor Aufstocker-Leistungen fließen dürfen. Die SPD-Bundesarbeitsministerin signalisierte Gesprächsbereitschaft, will aber den Mindestlohn statt das Bürgergeld anheben. In NRW erwägt die schwarz-rote Landesregierung Pilotprojekte mit schnellen Rückführungen, wenn kein fester Job nachgewiesen wird.
Parallel laufen Ermittlungen gegen mehrere Vermittlernetzwerke im Ruhrgebiet. Erste Razzien gab es bereits Anfang Oktober. Doch kann das die Entwicklung noch stoppen? Die entscheidende Frage wartet am Schluss.
Was jetzt auf Duisburg zurollt

In den nächsten Wochen legt das Bundesarbeitsministerium ein Reformpaket vor: höhere Mindestarbeitsstunden für Leistungsansprüche, strengere Miet-Kontrollen und ein digitales Melderegister, das Mehrfach-Bezüge blockieren soll. Duisburg testet außerdem eine Taskforce aus Zoll, Ausländerbehörde und Jobcenter, die Auffällige binnen 48 Stunden überprüft.
Ob das reicht, die 2.700-Euro-Lücke zu schließen, wird sich erst 2026 zeigen. Klar ist aber schon heute: Der Aufschrei des Oberbürgermeisters hat das Thema aus dem regionalen Schatten ins grelle Rampenlicht katapultiert – und jetzt sind die Gesetzgeber am Zug. Lassen Sie uns beobachten, ob aus Empörung endlich Konsequenz wird.