Frankfurt will einen Klassiker des Weihnachtsmarkts aus dem Sichtfeld verbannen – und löst damit eine hitzige Debatte um koloniale Geschichte, Sprachsensibilität und Glühwein-Romantik aus.
Die stille Nachricht aus Frankfurt

Die Tourismus und Congress GmbH der Mainmetropole hat alle Standbetreiber offiziell gebeten, das Wort „Lumumba“ auf ihren Schildern zu streichen. Angeblich genüge schon der Hinweis, um die verschnörkelten Tafeln gegen schlichtere „Heiße Schokolade mit Rum“-Schilder auszutauschen – noch bevor die ersten Lichterketten leuchten.
Der Grund: Patrice Lumumba, kongolesischer Unabhängigkeitsheld, wurde 1961 erschossen – „Kakao mit Schuss“ sei daher eine geschmacklose Anspielung. Befürworter des Verbots feiern den Schritt als längst überfällig, Skeptiker wittern Bevormundung.
Weiter geht’s mit einer Frage, die vielen erst beim zweiten Schluck einfällt …
Wer war Patrice Lumumba – und warum trifft es ihn jetzt?

Lumumba gilt als Symbolfigur des antikolonialen Widerstands; sein Name steht für den blutigen Kampf gegen Belgiens Herrschaft. Jahrzehntelang verband kaum jemand den Drink mit seiner Biografie – bis Aktivistinnen in Sozialen Medien den Zusammenhang verbreiteten.
Historiker bleiben vorsichtig: Ob die Benennung wirklich auf den Politiker zurückgeht, ist ungeklärt. Doch der neue Zeitgeist behandelt selbst eine unsichere Quelle wie eine feste Tatsache – denn in der öffentlichen Wahrnehmung zählt das potenzielle Unrecht, nicht die Archivlage.
Längst haben andere Städte ihre eigenen Rezepte entwickelt …
Kiel geht kreativ vor: Aus Lumumba wird Kielumba

An der Förde verzichtete man auf Verbote und veredelte den Kakao sprachwitzig zum „Kielumba“. Die Schausteller tauschten einfach einzelne Buchstaben – und steigerten prompt den Umsatz, weil das Wort zum Fotomotiv wurde.
Die Stadtverwaltung betont, sie wolle niemanden gängeln, sondern Anregungen geben. Wer unbedingt „Lumumba“ rufen will, darf – bekommt aber selten Nachschub, weil die Schilder längst anders heißen.
Doch manche Märkte umgehen das Problem noch eleganter …
Nürnberg setzt auf Glühwein – und spart sich den Streit

Auf dem weltberühmten Christkindlesmarkt gehört Kakao nur zur zweiten Reihe; „Lumumba“ taucht dort schlicht nicht auf. Marktleiter Marco von Dobschütz-Dietl verweist stolz darauf, dass Glühwein die einzig wahre Tasse der Franken sei.
Praktisch bedeutet das: Kein Angebot, kein Ärger. Wer dennoch Rum im Kakao will, bestellt „Schokolade mit Schuss“ – ein Name ohne historische Fallstricke.
Doch wie nennt man denselben Drink jenseits der Landesgrenzen?
Andere Namen, andere Länder: Von „Tote Tante“ bis Spanien

In Norddeutschland und Skandinavien bestellt man gern eine „Tote Tante“. Der makabre Titel stammt angeblich von friesischen Seeleuten, die so an daheim gebliebene Verwandte erinnerten. In den Niederlanden oder Dänemark kräht kein Hahn nach Patrice Lumumba.
Spanien dagegen kennt den Mix weiterhin unter dem klassischen Namen – dort gilt er als Après-Ski-Hit in der Sierra Nevada. Kulturwissenschaftler sehen darin ein Beispiel, wie regionale Erinnerungskultur Wortschicksale bestimmt.
Doch steckt hinter all dem nicht doch eine größere Debatte?
Cancel Culture oder Respekt? Was Fachleute sagen

Sprachforscher verweisen darauf, dass Produktnamen keine statischen Wesen sind: „Negerküsse“ heißen heute Schokoküsse, und niemand vermisst das Alte wirklich. Die Frage sei nicht Zensur, sondern Wertschätzung, sagt Linguistin Marta Schneider.
Gastronomen fürchten dagegen ein bürokratisches Minenfeld: Muss bald jedes Traditionsgericht auf historische Korrektheit geprüft werden? Die Antwort bleibt offen – und genau darin liegt die Sprengkraft der Diskussion.
Doch was bedeutet das konkret für die Adventszeit 2025?
Ausblick: Was uns auf den Weihnachtsmärkten 2025 erwartet

Frankfurt setzt vorerst auf freiwillige Einsicht; sollte ein Stand trotzdem mit „Lumumba“ werben, winkt laut Rathaus ein saftiger Platzverweis. Andere Großstädte beobachten den Effekt aufmerksam – ein Flickenteppich an Regeln ist absehbar.
Glühweintassen werden wohl bald QR-Codes tragen, die Herkunft der Getränkenamen erklären. Wer dann noch „Lumumba“ liest, tut es bewusst – und vielleicht mit extra Nachdenken über Geschichte.
Zum Schluss bleibt nur eine Frage offen …
Fazit: Die Tasse in der Hand – die Debatte im Kopf

Ob Verbot, Umbenennung oder Ignorieren: Der winterliche Kakao ist zum Spiegel gesellschaftlicher Sensibilität geworden. Selbst wer nur einen warmen Schluck sucht, bekommt gratis eine Portion Zeitgeist serviert.
Bleibt zu hoffen, dass der Diskurs so heiß bleibt wie die Schokolade – und dass wir beim letzten Krümel Sahne nicht vergessen, worum es eigentlich ging: Respekt vor Menschen und ihrer Geschichte, egal wie man den Drink nennt.
Und jetzt: Schluck für Schluck in die Zukunft.