
Manche Geschichten wirken abgeschlossen – archiviert, abgeheftet, vergessen. Doch manchmal genügt ein einziger Fund, um jahrzehntealte Fälle wieder ins Licht der Gegenwart zu rücken. So geschehen in einem Kellerraum des Polizeipräsidiums Essen.
Was dort aufgetaucht ist, sorgt nicht nur bei Historikern für Staunen, sondern könnte auch ein Stück deutscher Kriminalgeschichte neu beleuchten. Denn unter den entdeckten Unterlagen befinden sich auch Akten zu einem der spektakulärsten Fälle der Nachkriegszeit. Eine Entführung, die ein ganzes Land bewegte, rückt damit noch einmal ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Und womöglich gibt es jetzt Antworten auf Fragen, die lange offenblieben.
1. Ein Keller voller Geschichten

Im Polizeipräsidium Essen wurde kürzlich ein Archivraum geöffnet, der viele Jahre unbeachtet blieb. Darin: Ermittlungsakten zu historischen Kriminalfällen – fein säuberlich verstaut, aber weitgehend vergessen.
Besonders ein Fund sticht hervor: ein vollständiger Karton mit Unterlagen zur Entführung von Aldi-Gründer Theo Albrecht. Die Polizei spricht von einem „Glücksfall“ und sieht darin Potenzial, bisherige Lücken in der historischen Aufarbeitung zu schließen.
2. Eine Entführung, die Deutschland erschütterte

Die Entführung von Theo Albrecht im Jahr 1971 zählt bis heute zu den aufsehenerregendsten Kriminalfällen in der Bundesrepublik. Am 29. November wurde der Unternehmer entführt – und mehr als zwei Wochen lang festgehalten.
Die Täter forderten eine damals kaum fassbare Summe: sieben Millionen D-Mark. Die Verhandlungen zogen sich über Tage – per Briefwechsel und Telefonanrufe. Am Ende kam Albrecht frei, das Lösegeld wurde gezahlt. Der Fall machte Schlagzeilen weit über Deutschland hinaus und prägte die öffentliche Debatte über Sicherheit für Unternehmer nachhaltig. Die neuen Akten könnten nun Einblicke in die damalige Polizeiarbeit liefern, die bisher nicht bekannt waren.
3. Neue Hoffnung auf Erkenntnisse

Laut Polizei handelt es sich bei den gefundenen Dokumenten um detaillierte Ermittlungsprotokolle und interne Vermerke. Diese könnten helfen, bekannte Abläufe besser zu verstehen oder bislang unbekannte Details ans Licht zu bringen.
Auch wenn der Fall offiziell als aufgeklärt gilt, sind einige Aspekte bis heute unklar – etwa, wie genau die Geldübergabe ablief und welche Spuren damals möglicherweise unbeachtet blieben. Die Ermittler prüfen nun, wie die Akten historisch ausgewertet werden können. Ein Sprecher betonte, dass es sich um keine Reaktivierung der Ermittlungen handle, sondern um eine Form der aufklärenden Rückschau auf ein dunkles Kapitel der Wirtschaftsgeschichte.
4. Der historische Blick auf ungelöste Fälle

Neben dem Albrecht-Fall wurden in dem Keller auch Akten zu weiteren Kriminalfällen entdeckt – einige davon ungelöst, andere längst aus juristischer Sicht abgeschlossen. Die Polizei sprach von Dutzenden Mappen zu Mord- und Totschlagsdelikten.
Trotz des Alters dieser Unterlagen betont die Behörde ihren dokumentarischen Wert. In einer Zeit, in der viele Akten digitalisiert werden, zeigen diese Funde, wie wichtig analoge Archive für die Geschichtsforschung sind. Der Blick in die Vergangenheit hilft, die Entwicklung von Polizeiarbeit und gesellschaftlichen Reaktionen auf Verbrechen nachzuvollziehen. Und manchmal, wie im Fall Theo Albrecht, wirft die Geschichte selbst plötzlich wieder Licht auf sich – wenn man nur genau hinsieht.