
Ein bekannter Virologe spricht vor dem Landtag – doch was er dort sagt, sorgt für neue Diskussionen. Der Untersuchungsausschuss in Sachsen beleuchtet derzeit die politischen Reaktionen auf die Corona-Pandemie und lädt dafür Schlüsselpersonen als Sachverständige ein. Einer von ihnen ist Christian Drosten, der während der Krise eine der zentralen Stimmen in der deutschen Öffentlichkeit war.
Seine Aussagen, Einschätzungen und Empfehlungen wurden millionenfach gehört – und ebenso häufig hinterfragt. Nun stand Drosten den Abgeordneten Rede und Antwort. Dabei gab es klare Worte, aber auch selbstkritische Töne. Was er sagte – und was das für die Zukunft bedeutet, wurde in der Sitzung genau protokolliert. Noch sind nicht alle Fragen geklärt – eine zweite Anhörung ist bereits geplant.
1. Ein Rückblick mit Distanz

Christian Drosten trat mit Sachlichkeit und einem spürbaren Bedürfnis nach Differenzierung vor den Ausschuss. Dabei blieb er zunächst auf einer allgemeineren Ebene, ohne auf konkrete Maßnahmen oder Vorwürfe detailliert einzugehen. Ihm sei es wichtig, wissenschaftliche Fakten von politischen Entscheidungen zu trennen.
Die Rolle der Wissenschaft in solchen Krisen sei komplex, doch dürfe sie nicht politisch vereinnahmt werden. In der öffentlichen Sitzung machte Drosten deutlich, dass es ihm nicht um Rechtfertigung, sondern um Aufklärung und Transparenz gehe. Die Debatte um seine Person habe ihn verändert – aber nicht von seiner wissenschaftlichen Linie abgebracht. Was er heute sagt, basiert auf der Erfahrung aus der Pandemie und der Lehre daraus für zukünftige Krisen.
2. Wissenschaft und Politik: Eine gefährliche Nähe

In seiner Stellungnahme betonte Drosten, dass die Verzahnung von Wissenschaft und Politik während der Pandemie problematisch gewesen sei. Virolog*innen seien keine Politiker, und sie könnten keine Entscheidungen fällen, die wirtschaftliche, psychologische oder pädagogische Aspekte mit einbeziehen.
Trotzdem sei von außen oft der Eindruck entstanden, er selbst hätte politische Maßnahmen vorgegeben. Drosten stellte klar, dass seine Rolle sich auf die Fachberatung beschränkt habe. Diese Erwartungen seien in der Öffentlichkeit oft überhöht gewesen – was zu einer ungesunden Vermischung von Wissenschaft und politischem Handeln geführt habe. Für zukünftige Pandemien forderte er daher, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser zu schützen – auch vor öffentlichen Fehldeutungen ihrer Rolle.
3. Die größten Fehleinschätzungen

Selbstkritisch nannte Drosten konkrete Punkte, in denen die wissenschaftliche Einschätzung sich als falsch oder unvollständig herausgestellt habe. Besonders die anfängliche Bewertung der Lage in Südafrika sei ein Beispiel dafür, wie dynamisch sich Erkenntnisse verändern konnten.
Als gravierend empfand er aber die Diskussion zur Impfpflicht im Gesundheitswesen, die mit der Verbreitung der Omikron-Variante an Wirkung verlor. Obwohl die Impfpflicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhte, änderten sich die Rahmenbedingungen rasant – was die Maßnahme letztlich infrage stellte. Diese Beispiele zeigen: Auch in der Wissenschaft kann es zu Fehleinschätzungen kommen, wenn sich Datenlagen kurzfristig verändern. Genau deshalb sei es wichtig, nicht in starren Plänen zu denken.
4. Keine Blaupause für kommende Pandemien

Drosten machte klar, dass es keinen Masterplan für zukünftige Pandemien geben könne. Jede virale Bedrohung sei anders, und Maßnahmen müssten entsprechend flexibel angepasst werden. Was bei Corona galt, könne bei einem anderen Virus völlig unzureichend oder überzogen sein. Deshalb sei es falsch, aus der Vergangenheit starre Regeln für die Zukunft abzuleiten.
Gleichzeitig mahnte er, sich auf neue Bedrohungen wissenschaftlich und gesellschaftlich besser vorzubereiten. Es brauche robuste Kommunikationsstrukturen, verlässliche Netzwerke und eine klare Rollenverteilung zwischen Wissenschaft, Medien und Politik. Nur so könne eine neue Pandemie bewältigt werden – ohne dass Verantwortung vermischt oder Erwartungen enttäuscht würden.
5. Die Rolle der Medien in der Pandemie

Auch die Medienlandschaft geriet in Drostens Ausführungen in den Fokus. Er beschrieb, wie wissenschaftliche Aussagen oft verkürzt oder aus dem Kontext gerissen wurden. Sein eigener Podcast sei zwar ein Versuch gewesen, differenziert zu informieren, doch viele Zitate wurden später vereinfacht wiedergegeben.
Das habe zur Polarisierung beigetragen und Menschen das Gefühl gegeben, die Wissenschaft sei widersprüchlich oder sprunghaft. Drosten forderte mehr Verantwortung in der Berichterstattung, insbesondere in Krisenzeiten. Er sieht es als gefährlich, wenn komplexe Zusammenhänge auf Schlagzeilen reduziert werden. Medien müssten künftig besser zwischen Meinung und Forschungserkenntnis unterscheiden – nur dann könne eine offene und sachliche Diskussion entstehen.
6. Kritik und persönliche Angriffe

Der Virologe berichtete auch von der teils heftigen Kritik an seiner Person. Während der Pandemie sei er zur Zielscheibe von Anfeindungen und Verschwörungstheorien geworden. Manche Fraktionen, insbesondere die AfD, hätten ihn sogar als Architekten der Schutzmaßnahmen dargestellt. Drosten widersprach dieser Darstellung energisch und betonte, dass er nie politische Entscheidungen getroffen habe.
Die Angriffe hätten ihn persönlich belastet, aber nicht daran gehindert, weiter öffentlich aufzuklären. Dennoch wünsche er sich, dass wissenschaftlicher Diskurs nicht zum politischen Spielball werde. Für die Zukunft hoffe er auf mehr Respekt für Forschung – und darauf, dass persönliche Angriffe nicht länger die Debatte bestimmen.
7. Schutzmaßnahmen bleiben sinnvoll

Trotz mancher Fehleinschätzungen verteidigte Drosten die meisten Corona-Maßnahmen als effektiv. Besonders im internationalen Vergleich, etwa mit Großbritannien, zeige sich, dass frühzeitige Schutzmaßnahmen viele Todesfälle verhindert hätten. Die Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und Impfkampagnen seien wichtige Instrumente gewesen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.
Auch wenn einzelne Maßnahmen heute kritisiert werden, müsse man sich an den damaligen Wissensstand erinnern. Entscheidungen seien unter hohem Druck und Zeitmangel gefallen. Rückblickend lasse sich vieles bewerten – doch zu der Zeit habe es keine besseren Alternativen gegeben. Politik und Wissenschaft hätten gemeinsam Verantwortung getragen, auch wenn die Grenzen zwischen ihnen nicht immer klar gezogen wurden.
8. Zweite Anhörung bereits angekündigt

Die Abgeordneten des Ausschusses signalisierten bereits, dass sie weiterführende Fragen an den Virologen haben. Deshalb ist eine zweite Anhörung von Christian Drosten geplant. Dabei dürfte es noch stärker um konkrete Entscheidungen, interne Abläufe und Verknüpfungen zur Bundespolitik gehen.
Auch mögliche Versäumnisse oder Warnungen, die nicht beachtet wurden, könnten dann zur Sprache kommen. Der Ausschuss will damit nicht nur Verantwortlichkeiten klären, sondern auch Lehren für die Zukunft ziehen. Drosten zeigte sich offen für diesen weiteren Termin – er wolle auch weiterhin seinen Teil zur Aufarbeitung der Pandemiepolitik beitragen. Denn eins sei klar: Die Debatte über Corona ist noch lange nicht abgeschlossen.