Es war Januar 2015 und Cheryl Love wollte sich gerade Tee zubereiten. Dies war Teil ihrer Morgenroutine. Ihr Mann Bobby schlief noch fest, als sie ein Klopfen an der Tür hörte.
Sie öffnete die Tür vorsichtig und war überrascht die Polizei zu sehen. Zunächst dachte sie, dass eine Nachbarin, die dafür bekannt war, häufig die Polizei zu verständigen, dafür verantwortlich sei.
Sie dachte eventuell, dass die Polizei auch an der falschen Tür wäre. Als sie die Tür jedoch komplett öffnete, stürmten plötzlich zwölf Polizeibeamte in die Wohnung und an ihr vorbei. Zu diesem Zeitpunkt wusste Cheryl noch nicht, wie sehr sich ihr Leben verändern würde.
1. Wer war Bobby wirklich?
Die Polizisten gingen direkt ins Schlafzimmer und auf Bobby zu und fragten ihn nach seinem Namen. Er sagte ihnen zwar, dass er Bobby Love heißen würde, doch sie glaubten ihm natürlich nicht, da sie die Wahrheit kannten.
Als Nächstes erinnert sich Cheryl daran, wie sie ihren Mann in Handschellen abführten. Sie wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was los war und bekam auch nur wenig von der Unterhaltung mit den Polizisten und ihrem Mann im Schlafzimmer mit.
Noch bevor sie ihn abführten, sagte Bobby seiner Frau, dass dies nichts mit ihr zu tun habe, sondern mit seinem Leben, bevor er sie kennengelernt hatte.
2. Die Geschichte von Walter Millers
Walter Miller (Bobby) wuchs in den sechziger Jahren in North Carolina auf. Er beschrieb seine Kindheit als ziemlich normal, auch wenn er in sehr ärmlichen Verhältnissen aufwuchs.
Mit acht Kindern hatten die Eltern kaum genug Geld, um sie alle zu unterstützen. So war es nicht überraschend, dass Walter sich vernachlässigt fühlte.
Seine Auseinandersetzungen mit dem Gesetz begannen, als er ein Konzert von Sam Cooke besuchte. Aufgrund der Art von Musik begann die Menge zu tanzen, was Sam Cooke jedoch nicht gefiel. Er bat die Leute immer wieder sich hinzusetzen. Nach nur zwei Liedern ging er von der Bühne, wie Walter berichtete. Er sagte eine Obszönität und wurde wegen Fehlverhaltens verhaftet.
3. Eine Reihe von Verbrechen
Der Vorfall beim Sam Cooke-Konzert ereignete sich 1964 und Walter entwickelte daraufhin bald seine eigenen Aufzeichnungen über Fehlverhalten. Die Dinge verschlechterten sich besonders schnell für ihn.
So begann er damit Geldbörsen aus unverschlossenen Autos zu stehlen. Später entnahm er sogar Regierungsschecks aus Postfächern. Er selbst berichtete, wie er, was die Schwere seiner Verbrechen betraf, immer mutiger wurde und praktisch keine Angst vor Konsequenzen besaß.
Als er beim Stehlen aus dem Bandraum seiner Schule erwischt wurde, musste sich der junge Straftäter jedoch den Folgen seiner kleinen Verbrechen stellen. Er wurde daraufhin in eine nahe gelegene Jugendstrafanstalt gebracht. Leider lernte er daraus nichts.
4. Die Jugendhaft
Walter erzählte später, dass er den Ort hasste. In einem Moment genoss er seine jugendliche Freiheit, im nächsten lebte er ein Leben mit strengem Kodex und Verhalten. Er beschwerte sich über alles an diesem Ort, aber es war die Gewalt, die ihn wirklich traf.
Andere junge Straftäter im Ort waren weitaus gewalttätiger als er. So berichtet er, wie er auch noch heute Narben aus dieser Zeit besitzt, da er ständig von den anderen Jugendlichen verprügelt wurde.
Er hörte den Zug jede Nacht vorbeiziehen, als er einschlief, und mit seinem beruhigenden Geräusch kamen Träume davon, die Anstalt zu verlassen. Walter wollte raus. Er musste sich nur mich einen Plan ausdenken.
5. Die große Flucht
Das nächtliche Geräusch des Zuges erinnerte Walter an die Dinge, die er verpasst hatte. Er sagte, dass er beispielsweise immer wissen wollte, wohin dieser Zug fahren würde. Seine Zeit in der Anstalt stellte seine Geduld auf die Probe, also suchte er nach einer Chance zu fliehen.
Walters Gelegenheit kam eines Nachts, als der Nachtwächter, der an den Ausgangstüren stationiert war, sich umdrehte, um die Uhrzeit zu überprüfen.
Walter sah seine Chance und rannte davon. Er erinnerte sich daran, wie er aus der Hintertür in die Freiheit rannte. Es war das erste Mal, dass er geflohen war, jedoch nicht das letzte Mal.
6. In Richtung der Bahngleise
Walter rannte auf die Gleise zu und tat etwas, von dem er seit Monaten geträumt hatte. Er wollte sehen, wohin der Zug führte. Er folgte ihm aus North Carolina heraus bis nach Washington, DC.
Zum ersten Mal seit Monaten hatte er das Gefühl, dass die Dinge endlich besser wurden. Wie es das Glück wollte, hatte Walter einen Bruder, der in Washington, DC lebte.
Er blieb bei ihm und schrieb sich an einer örtlichen Highschool ein. Er begann Klassen zu besuchen und spielte sogar Baseball mit Freunden. Leider fing Walter an, mit der falschen Gruppe von Jugendlichen herumzuhängen, was einen schlechten Einfluss auf ihn hatte.
7. Die falschen Freunde
Diese Gruppe neuer Freunde wurde in weit schwerwiegenderen Verbrechen verwickelt als die, an denen Walter zuvor beteiligt war. Sie hatten Banken ausgeraubt und waren bisher nie gefasst worden. Ihr Trick bestand darin, nach North Carolina zu fahren, um die Tat zu vollbringen, weil man, was die Sicherheit betraf, dort unvorsichtiger war.
Walter und seine Freunde kamen mit vielen Überfällen davon. Er erzählte, wie sie sich alle wie Gangster fühlten und stolz darauf waren, was sie taten.
Walter gab jedoch auch zu, dass ihn das Gefühl, Geld zu besitzen, geleitet hatte. Er kam aus ärmlichen Verhältnissen und besaß demnach kaum etwas.
8. Der Banküberfall
Walter und seine Freunde führten mehrere erfolgreiche Banküberfälle durch. Im August 1971 wurden sie jedoch gefasst. Ihre Operation schlug fehl, als sie beschlossen, eine Bank mit einem stillen Alarmsystem auszurauben.
Der Bankangestellte konnte dieses System verwenden, um die Polizei zu alarmieren, ohne dass Walter oder seine Freunde etwas davon bemerkten.
Als Walter die Bank verließ, stellte er fest, dass die Polizei bereits auf dem Parkplatz auf ihn und seine Freunde wartete. Da er nicht verhaftet werden wollte, versuchte er zu entkommen. Er rannte aus der Bank und versuchte sich zwischen den parkenden Autos zu verstecken. Dies führte jedoch nur dazu, dass er angeschossen und gefangen wurde.
9. Er hatte einen Plan
Abgesehen von diesem letzten gescheiterten Raub wurde Walter für schuldig befunden. Der Richter verurteilte ihn so eine Haft von 25 bis 30 Jahren im Gefängnis.
Als wenn dies nicht schon schlimm genug gewesen sei, erfuhr Walter, dass seine Mutter gestorben war. Dies war ein verheerender Schlag für ihn, und er schwor sich von nun an zu bessern und sein Leben zu ändern.
Walter legte mehrere Berufungen ein, aber keine war erfolgreich. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits daran gewöhnt, Zeit hinter Gittern zu verbringen. Trotzdem wollte er ein besseres Leben für sich selbst und entwickelte einen Plan, wie er von dem Gefängnis ausbrechen konnte.
10. Er wollte sich ändern
Walter wollte sein Leben zum Positiven verändern. Er beschrieb sich selbst später als der perfekte Insasse in der damaligen Zeit.
Er hatte keinerlei negativen Eintrag in seiner Akte. Sein gutes Benehmen brachte ihm das Privileg ein, in eine Einrichtung mit minimaler Sicherheit verlegt zu werden. Dies war ein Neuanfang für Walter.
Es fühlte sich im Vergleich zu seiner vorherigen Einrichtung wie ein Lager an, so Walter. Obwohl es immer noch hohe Mauern, Zäune und Wachen im Dienst gab, hatten die Insassen mehr Freiheit. Sie erhielten Anrufe von Familie und Angehörigen und durften auch nach draußen gehen. Walter hatte sogar die Möglichkeit, seine eigene Radiosendung zu moderieren.
11. Ein Ausbruch schien die einzige Hoffnung zu sein
Zum ersten Mal seit Jahren fühlte sich Walter entspannter. Er genoss seine Zeit als Moderator einer Radiosendung sehr und seine Zeit in der Anstalt fühlte sich zunehmend besser an.
Aber es wurde schlimmer, als ein Mithäftling dem Gefängnisleiter Schimpfwörter zuwarf. Dieser nahm an, dass es Walter war, und danach war es nie mehr dasselbe. Der Leiter hinterließ regelmäßig Notizen zu Verstößen in Walters Akte, auch wenn dieser nichts tat.
Die negativen Berichte häuften sich, bis er einen Eintrag davon entfernt war, wieder in das Alter Gefängnis verlegt zu werden. Er wollte nicht gehen und wusste, dass seine einzige Hoffnung darin bestand zu fliehen.
12. Eine neue Chance für Walter
Wegen der vielen negativen Berichte gegen ihn erhielt Walter einen der härtesten (und schlimmsten) Jobs im Gefängnis. Er wurde beauftragt, mit einigen Mithäftlingen, die Straßen zu säubern.
Er musste viel früher aufwachen als der Rest der Gefängnisinsassen, mit dem Bus nach Raleigh fahren und Müll entlang der Straße einsammeln.
Walter erinnerte sich daran, wie die Leute Hamburger und Milchshakes auf ihn geworfen hatten. Und es war fast Winter, also wurde es langsam kalt. Trotz dieser schlimmen Umstände sah Walter dies als die perfekte Gelegenheit, seine nächste Flucht zu planen. Er wusste, dass er bei diesen Umständen möglichst schnell entkommen wollte.
13. Er plante seinen Ausbruch
Um sein großes Vorhaben zu finanzieren, begann Walter, sein Geld zu sparen. Ihm fielen auch kleine Details auf. So bemerkte er zum Beispiel, dass der Wachmann, der dienstags an der Tür stand, fauler war, als die anderen.
Er untersuchte keinen der Insassen bevor sie nach draußen gingen, sondern ließ sie die Einrichtung einfach verlassen und zum Bus gehen, ohne zu ahnen, ob sie etwas bei sich hatten, das sie nicht haben sollten.
Walter bemerkte auch, dass sie unterwegs im Bus immer an einer bestimmten Kreuzung anhielten, an der sich direkt ein Waldgebiet daneben befand. Er sammelte monatelang Informationen, um sicherzustellen, dass sein Plan erfolgreich sein würde.
14. Die Flucht
An einem Dienstag war der faule Wachmann an der Tür stationiert. Walter trug die Zivilkleidung, die er für seine Radiosendung bekam unter seinem Gefängnisanzug.
Er saß hinten am Notausgang. Als sie langsamer wurden, öffnete er die Tür und sprang aus dem Bus. Er zog sofort seine Gefängniskleidung aus und rannte weg.
Ein Fremder lieh Walter etwas Geld, um ein Ticket nach New York City zu kaufen. Als er sich auf seinem Platz niederließ, drehte sich die Frau neben ihm um, um ein Gespräch aufzunehmen. Sie hatte ihn nach seinem Namen gefragt. Spontan kam er dann auf Bobby Love, was von nun an sein neuer Name sein würde.
15. Eine neue Identität
Walter kam im November 1977 in New York City an und nannte sich von nun an Bobby Love. Das bisschen Geld, das er übrig hatte, gab er für ein Motel aus.
Ziemlich bald ging ihm das Geld aus. Dadurch wurde Bobby obdachlos und lebte auf der Straße. Schon damals war er entschlossen, in diesem neuen Kapitel in seinem Leben erfolgreich zu sein.
Bobby hatte das Glück, eine neue Sozialversicherungsnummer und andere wichtige Dokumente wie einen Führerschein zu erhalten. Dann begann er nach Arbeit zu suchen. Er übernachtete in Motels für rund 8 Dollar pro Nacht, um die Kosten so gering wie möglich zu halten.
16. Bobby lernte Cheryl kennen
Bobby konnte einen festen Arbeitsplatz in der Cafeteria eines Baptist Medical Center in Brooklyn finden. Dort traf er eine Frau namens Cheryl, die schließlich seine Frau werden würde. Ihr erstes Date bestand aus einem Film und einem Konzert: Purple Rain von Prince und Gladys Knight.
Cheryl fiel Bobby auf, als er sie traf, da sie besonders ruhig und schüchtern wirkte. Bobby fühlte sich direkt von ihr angezogen.
Er versuchte ein Leben mit ihr aufzubauen, obwohl er wusste, dass es ein riskanter Schritt sein würde. Er war sich bewusst, dass zu jedem Zeitpunkt die Polizei eintreffen und sein neues Leben zusammenbrechen könnte.
17. Ein ganz neues Leben
Die beiden heirateten am 30. März 1985. Bobby war zu diesem Zeitpunkt 34, Cherly war 21 Jahre. Bald darauf begrüßten sie ihr erstes Kind, eine Tochter namens Jasmine. Ein paar Jahre später kam eine weitere Tochter, Jessica, auf die Welt. Schließlich wurden 11 Jahre später die Zwillinge Justin und Jordan geboren.
Bobby besaß zwei Jobs, um seine Familie zu ernähren. Manchmal schlief er dadurch sogar nur zwei Stunden pro Nacht. Er war auch in der Kirche aktiv, meldete sich freiwillig und nahm an Gemeindeaktivitäten teil.
Bobbys Leben hätte nicht glücklicher sein können, doch er konnte seine Vergangenheit nicht wirklich vergessen.
18. Er wollte seiner Frau nichts verraten
Bobby wollte seiner Frau bereits öfters von seiner Vergangenheit erzählen, er hatte jedoch das Gefühl, dass er dadurch seine Ehe und die ganze Familie aufs Spiel setzen könnte.
Cheryl war eine religiöse Frau, die höchstwahrscheinlich versuchen würde, ihn zu überzeugen, sich zu stellen. Er konnte sein neues Leben nicht loslassen, aber er kommunizierte immer noch mit einigen Verwandten zu Hause in North Carolina.
Bobby bat seine Schwester um einen Gefallen. Er wollte, dass sie seiner Frau erst von seiner Vergangenheit erzählt, nachdem er verstorben sei. Seiner Meinung nach, hatte er sein altes Leben hinter sich gelassen und wollte damit, außer mit seinen Verwandten, nichts mehr zu tun haben.
19. Etwas schien anders
In einem Interview erzählt Cheryl später, dass Bobby seit ihres Kennenlernens anders war. Er würde es vermeiden, sich fotografieren zu lassen, blieb größtenteils für sich und war Fremden gegenüber sehr vorsichtig.
Manchmal, wenn jemand fremdes auf der Straße auf ihn zukam und nach dem Weg fragte, schien er erschrocken zu sein, erklärte Cheryl. Aus Gründen wie diesem hatten Bobby und Cheryl häufig Streit.
Dies ging so weit, dass Cheryl irgendwann zu Gott auf Knien betete und ihm um Hilfe bat, da sie nicht mehr wusste, was sie noch tun konnte. Dies fand nur wenige Wochen, bevor sie den Besuch der Polizei erhielt, statt.
20. Der Tag, an dem sich alles änderte
Nach einigen Jahren fühlte sich Bobby wohler und begann damit er selbst zu sein. Er ging nach North Carolina, um an der Beerdigung einer seiner Geschwister anwesend zu sein, und dies würde sich als ein entscheidender Moment in seinem Leben erweisen.
Dies war der Moment, in dem Bobby glaubte, dass ihn jemand erkannte und der Polizei einen Tipp gab. Kurz nach diesem Ereignis klopfte die Polizei nämlich an seine Tür.
Cheryl sagte, dass in diesem Moment ihre Welt zusammenbrach. Sie fühlte sich, als hätte sie Bobby all die Jahre betrogen. Dies bedeutete dennoch nicht, dass Cheryl ihrem Mann nicht helfen wollte.
21. Sie kämpfte für seine Entlassung
Bobby wurde auf Rikers Island festgehalten und wartete auf die Auslieferung an North Carolina. Dort würde er die verbleibenden zehn Jahre seiner ursprünglichen Haftstrafe verbüßen, plus ein paar zusätzliche Jahre für seine Flucht.
Cheryl tat alles, um ihren Mann aus dem Gefängnis zu bringen. Sie verfasste Berufungsschreiben an den Gouverneur und den Präsidenten. Ihre Kinder und alle, die die Familie kannten, verfassten Schreiben über Bobbys Leben. Nach einem Jahr hinter Gittern stimmte die Bewährungsbehörde zu, Bobby gehen zu lassen.
Cheryl konnte Bobby nicht lange böse sein und sie vergab ihm schließlich. Nach seiner Entlassung wurde Bobby zu einem glücklicheren und entspannteren Mann, wodurch sich auch ihre Ehe besserte.