Wir haben sie täglich in der Hand – doch kaum jemand hat sie je mit eigenen Augen gesehen: die eindrucksvollen Brücken auf unseren Euro-Scheinen. Sind sie Fantasie – oder kann man tatsächlich über sie spazieren?
Ein Detail, das Millionen übersieht

Sieben Banknoten, sieben Brücken – vom dezenten Grauton des Fünfers bis zum majestätischen Violett des 500-Euro-Scheins. Die Motive sind allgegenwärtig, trotzdem fragt sich kaum jemand, wo diese Bauwerke stehen. Handelt es sich um echte Ingenieurkunst oder nur um grafische Staffage?
Bleiben Sie dran, denn gleich lüften wir das Geheimnis ihrer Herkunft – und warum sie bei ihrer Geburt unbedingt „niemandem gehören“ durften.
Die Geburt der anonymen Bauwerke

Als der Österreicher Robert Kalina Mitte der 1990er-Jahre die ersten Euro-Entwürfe skizzierte, musste er politische Sprengkraft entschärfen: Zeigte man eine reale Brücke, hätten 18 Länder um die Ehre gestritten. Also entwarf Kalina reine Fantasiearchitektur, die nur den jeweiligen Baustil – von Klassik bis Moderne – zitiert. Offiziell durfte kein Pfeiler in der echten Welt stehen.
Doch genau diese Anonymität entfachte den Reiz: Hobby-Detektive starteten Jagden nach „Vorlagen“, Archäologen suchten nach Stein für Stein, fanden aber stets nur Ähnlichkeiten. Und hier beginnt die Geschichte, wie der Mythos zur Realität wurde.
Wenn die Legende stärker ist als der Bauplan

Nach der Einführung des Euro 2002 veröffentlichte jede Woche jemand neue „Beweise“, wo die Brücken angeblich stünden: mal in Spanien, mal in Slowenien, mal in Frankreich. Keine Spur hielt einer Prüfung stand – bis ein junger Designer beschloss, den Spieß umzudrehen.
Schon gespannt? Gleich erfahren Sie, wie ein niederländischer Künstler aus einem Witz ein internationales Fotomotiv machte.
Spijkenisse: Die Luftschlösser landen in Zuid-Holland

Grafikdesigner Robin Stam hielt 2011 ein Zehn-Euro-Schein in der Hand und wollte die rote Renaissance-Brücke plötzlich in Echt sehen. Also baute er sie einfach nach – zusammen mit den sechs anderen Motiven. In einem Neubaugebiet der Stadt Spijkenisse entstanden bis 2013 sieben quietschbunte Stahlbetonbrücken, exakt in den Farben der Banknoten.
Inzwischen sind sie mehr als eine Kuriosität: Sie verbinden Radwege, zieren Instagram-Feeds und stehen sogar in Reiseführern. Doch damit enden die Neuigkeiten nicht – die Stadt feiert 2025 ihr Zehnjähriges als „Nissewaard“ und nutzt die Euro-Brücken als stolzes Wahrzeichen.
Touristenmagnet und Lehrstück zugleich

Schulklassen üben hier den Übergang von der abstrakten Währung zur greifbaren Realität, Architekturfans messen neugierig Spannweite und Bogenwinkel. Selbst Fans aus Portugal oder Finnland reisen an, nur um ihr Geld einmal „abzulaufen“. Die Brücken zeigen, wie Popkultur und Stadtplanung einander befruchten können.
Aber wie lange werden sie noch die Rückseiten unserer Geldscheine zieren? Genau darauf blickt die Europäische Zentralbank in diesem Jahr.
2025: Ein neues Kapitel für die Euro-Scheine

Seit Januar läuft das offizielle Redesign-Programm: Zwei Themen – „Europäische Kultur“ oder „Flüsse & Vögel“ – konkurrieren um die Zukunft des Bargelds. Designer reichen Entwürfe ein, 2026 fällt die Entscheidung, erste Serien könnten Anfang der 2030er in Umlauf gehen. Damit steht fest: Die Brücken-Ära könnte bald enden.
Gerüchtweise weinen manche Sammler schon jetzt ihren geliebten Bögen nach, während andere hoffen, dass zumindest die physischen Kopien in Spijkenisse bleiben. Und damit steuern wir auf die alles entscheidende Frage zu.
Fazit: Ja, sie existieren – doch ihre Tage auf dem Papier sind gezählt

Die ursprünglichen Brücken waren reine Fantasie, doch seit einem Jahrzehnt stehen ihre farbenfrohen Zwillinge in den Niederlanden. Wer also über die „Fünfer-Brücke“ schlendern will, muss nach Spijkenisse – nicht nach Serrig, Sevilla oder Salzburg. Gleichzeitig deutet alles darauf hin, dass die nächste Euro-Generation andere Symbole trägt.
Bleibt also nur zu sagen: Genießen Sie den Anblick Ihrer Banknoten, solange die Brücken noch darauf funkeln – und vielleicht planen Sie schon jetzt einen Wochenendtrip, um die real gewordenen Legenden zu bestaunen. Und wer weiß: Vielleicht ziert ja bald eine echte europäische Ikone den Zehner, während Spijkenisse die Erinnerung an die Brücken wacht.