
Sie sind jung, motiviert – und zunehmend ausgelaugt. Viele Lehrlinge in der Schweiz empfinden ihren Alltag als belastend, die Erholungszeit als zu knapp bemessen. Während Gleichaltrige im Gymnasium fast ein Viertel des Jahres in den Ferien verbringen, müssen sich Auszubildende oft mit einem Bruchteil davon zufriedengeben.
Nun regt sich Widerstand: Eine Bewegung hat sich formiert und bringt die Frage nach mehr Ferien für Lehrlinge wieder auf die politische Bühne. Wer steckt dahinter, was wird gefordert – und wie reagiert die Gesellschaft? Die Antworten auf diese Fragen zeigen ein Land im Bildungsumbruch.
1. Eine stille Ungleichheit

Im Schweizer Bildungssystem gibt es Unterschiede, die lange kaum beachtet wurden. Während Schüler:innen an Gymnasien bis zu 13 Wochen Ferien pro Jahr erhalten, müssen Lehrlinge meist mit nur fünf Wochen auskommen.
Dabei sind sie oft im gleichen Alter, tragen aber zusätzlich zur schulischen Belastung auch noch Verantwortung im Berufsalltag. Diese Diskrepanz ist für viele unverständlich. Dennoch wurde sie über Jahre hinweg kaum thematisiert – bis jetzt. Denn eine neue Generation junger Menschen beginnt, diese stillen Ungleichheiten zu hinterfragen – und lautstark Lösungen zu fordern.
2. Der offene Brief als Aufschrei

In einem offenen Brief an den Bundesrat fordern Lehrlinge aus 15 verschiedenen Berufsfeldern eine Erhöhung der Ferien auf acht Wochen. Die Aktion ist kein Schnellschuss, sondern Ergebnis einer organisierten Kampagne.
Hinter dem Brief steht die Jugendkommission des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), die die Stimme der Lernenden auf die nationale Bühne bringt. Der Brief sei jedoch nicht von Funktionären diktiert, sondern von der Basis junger Auszubildender selbst angestossen worden. Die Forderung: Mehr Zeit für Erholung – und mehr Anerkennung für die Leistungen, die Lehrlinge täglich erbringen.
3. Wer kämpft für die Lehrlinge?

Neben den Gewerkschaften haben sich zahlreiche Organisationen der Bewegung angeschlossen. Auch Jugendverbände und Bildungsexpertinnen zählen dazu – darunter prominente Namen wie Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz.
Diese Allianz nennt sich „8 Wochen Ferien in der Lehre“ und tritt geschlossen für die Reform ein. Der Grundton ist dabei klar: Es geht nicht nur um Ferien, sondern um Gerechtigkeit und die Attraktivität der Lehre insgesamt. Viele sehen in der Aufwertung der Berufsausbildung ein dringend notwendiges Zeichen in einer sich wandelnden Arbeitswelt.
4. Die Krise der Berufslehre

Laut einer aktuellen Umfrage der Unia leidet mehr als die Hälfte aller Lernenden unter Stress und Erschöpfung. Der Druck ist hoch, die Erholungsphasen sind kurz – und die Konsequenzen gravierend: Jede vierte Lehre wird abgebrochen.
Diese Zahlen zeigen deutlich, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Die Berufslehre in der Schweiz steckt in einer echten Krise. Viele junge Menschen sehen sich überfordert, unterbewertet und allein gelassen. Die Bewegung um die Ferienforderung ist deshalb auch als Hilferuf zu verstehen – und als Appell an Politik und Gesellschaft.
5. Ein politisches Dauerthema

Die Frage nach einer besseren Behandlung von Lehrlingen ist nicht neu. Bereits im letzten Jahr forderte die Juso an ihrer Delegiertenversammlung sogar zehn Wochen Ferien für Auszubildende.
Solche Forderungen wurden in der Vergangenheit jedoch oft abgetan oder ignoriert. Das könnte sich nun ändern. Denn die aktuelle Bewegung hat breiten Rückhalt und trifft einen Nerv in der Bevölkerung. Sie bringt ein Thema zurück auf die Agenda, das viele für erledigt hielten – und zeigt, dass echte Reformen in der Berufsbildung nicht länger hinausgezögert werden dürfen.
6. 52’000 Stimmen für Veränderung

Der aktuelle Appell scheint Wirkung zu zeigen: Bereits über 52’000 Menschen haben den Aufruf zur Ferienerhöhung unterschrieben – Tendenz steigend. Das zeigt: Die Forderung ist kein Randthema, sondern ein Anliegen, das viele bewegt.
Es geht nicht nur um ein paar freie Tage mehr, sondern um Wertschätzung, Chancengleichheit und Zukunftsperspektiven. Wenn Lehrlinge als Fachkräfte von morgen gelten, dann müssen sie heute auch wie solche behandelt werden. Die Bewegung könnte der entscheidende Impuls sein, damit die Berufslehre nicht länger hinter anderen Bildungswegen zurückbleibt.