
Es gibt Momente, in denen ein Interview nicht nur bewegt, sondern tief erschüttert. Wenn eine Schauspielerin, die Generationen verzaubert hat, plötzlich offen über ihr nahendes Lebensende spricht, wird klar: Auch öffentliche Persönlichkeiten sind vor der Endlichkeit nicht geschützt. Miriam Margolyes – vielen bekannt als Professor Sprout aus der „Harry Potter“-Reihe – hat in einem Interview mit der „Times“ offen über ihre Erkrankung, Ängste und ihren Umgang mit dem Sterben gesprochen.
Was dabei entsteht, ist ein Porträt voller Mut, Ehrlichkeit und Lebenserfahrung. Die Schauspielerin weiß, dass ihre Zeit begrenzt ist – und spricht dennoch über Hoffnung, Weitermachen und Humor. Wie sie sich dem Tod stellt, ohne ihre Neugier aufs Leben zu verlieren, erzählen die nächsten Kapitel.
1. Wenn Lebenszeit spürbar wird

„Ich werde wahrscheinlich in den nächsten fünf oder sechs Jahren sterben.“ Dieser Satz wirkt wie ein Schlag – und doch sagt Miriam Margolyes ihn mit einer fast schon nüchternen Gelassenheit. In ihrem Alter ist diese Auseinandersetzung kein Tabubruch, sondern ein Teil des Alltags. Die 84-Jährige wirkt reflektiert, nicht resigniert – und doch ist zu spüren, dass diese Erkenntnis ihr Handeln verändert.
Viele Menschen verdrängen das Ende. Nicht so Margolyes. Sie spricht offen über ihre verbleibende Zeit, über den Wunsch, weiterzuleben, solange es möglich ist, und über den schmalen Grat zwischen Realität und Hoffnung. Ihre Worte sind keine Verabschiedung, sondern eine Einladung, über das Leben nachzudenken – solange es andauert.
2. Gesundheit als zerbrechliches Gut

Was für viele selbstverständlich erscheint, ist für Margolyes längst ein täglicher Kampf: ihre Gesundheit. Die Schauspielerin musste sich bereits 2023 einer Aortenklappen-OP unterziehen – ein Eingriff, der nicht nur körperlich, sondern auch psychisch Spuren hinterlässt. „Ich habe jetzt ein Kuhherz“, sagt sie lakonisch – und meint damit den medizinischen Austausch durch eine Kuhaortenklappe.
Dazu kommt ihre Spinalkanalstenose, eine schmerzhafte und einschränkende Erkrankung, die ihr das Gehen erschwert. Sie ist auf zwei Gehstöcke und einen Rollator angewiesen, bewegt sich meist mit einem Elektromobil fort. Doch statt zu klagen, nimmt sie ihr Schicksal an, mit trockenem Humor und britischer Selbstironie. Ein Vorbild dafür, wie man trotz Einschränkungen Würde bewahrt.
3. Die Angst vor dem Tod – und das Ende der Angst

Früher war da die Angst. Eine regelrechte Panik vor dem Tod, wie Margolyes selbst sagt. Doch diese Angst hat sich gewandelt. Heute denkt sie täglich ans Sterben, aber ohne Schrecken. Eher wie jemand, der sich mit einer Tatsache arrangiert hat. „Ich denke viel an den Tod, jeden Tag“, sagt sie in einem Interview mit Vogue – ohne Wehmut, ohne Drama.
Sie beschreibt es fast nüchtern – wie eine Routine. Das Bewusstsein, dass die Zeit begrenzt ist, hat sie nicht gelähmt, sondern geschärft. Es hat sie darin bestärkt, noch neugieriger zu sein, noch offener zu bleiben. Die Angst ist einer Achtsamkeit gewichen, einem Leben, das die verbleibenden Tage nicht verschwendet, sondern nutzt.
4. Die Schauspielerei als Lebenselixier

Obwohl ihre körperliche Kraft schwindet, denkt Miriam Margolyes nicht daran, die Schauspielerei aufzugeben. Sie sieht darin nicht nur eine Berufung, sondern ein Stück Identität. „Ich möchte die Schauspielerei nur ungern aufgeben“, erklärt sie, auch wenn sie weiß, dass viele Rollen sie heute körperlich überfordern.
Für Margolyes ist das Spiel vor der Kamera mehr als nur Arbeit – es ist Lebensfreude, Austausch, Dasein. Ihre Einschränkungen machen vieles unmöglich, doch was möglich ist, will sie weiter tun. Sie beweist damit: Auch mit 84 kann man nicht nur leben, sondern wirken. Und vielleicht genau deshalb ist es so schwer, sich einen Abschied von ihr vorzustellen.
5. Humor als Überlebensstrategie

Trotz Krankheit, Schmerzen und der Konfrontation mit dem Tod verliert Miriam Margolyes nie ihren Humor. Sie kokettiert mit der Vorstellung, ein Kuhherz zu haben, nennt ihre Gehhilfen „langweilig“ und scherzt über das Sterben wie über einen unausweichlichen, aber eben auch absurden Programmpunkt im Lebenslauf.
Dieser Humor wirkt nie oberflächlich. Er ist tief, ehrlich und schmerzbewusst. Wer ihn hört, spürt: Hier lacht jemand, der das Leben durchdrungen hat. Der Humor schützt sie nicht vor dem Tod, aber er gibt ihr Kraft, ihn nicht zum Zentrum ihres Daseins zu machen. Es ist genau diese Mischung aus Ernst und Lachen, die sie so einzigartig macht.
6. Eine öffentliche Figur mit privatem Mut

Miriam Margolyes hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie geradeheraus ist. Ob zu ihrer Sexualität, politischen Ansichten oder jetzt zur Endlichkeit – sie spricht, wie sie denkt. Und genau das macht sie zu einer der authentischsten Stimmen ihrer Generation.
Dass sie ihre gesundheitlichen Probleme nicht versteckt, sondern öffentlich teilt, macht vielen Menschen Mut. Besonders älteren, kranken oder einsamen Personen, die oft aus dem Sichtfeld der Gesellschaft verschwinden. Margolyes zeigt: Man kann sichtbar bleiben, laut sein, relevant. Selbst dann, wenn der Körper schwächer wird. Ihre Offenheit ist ein Akt der Stärke.
7. Kein Licht am Ende des Tunnels – und trotzdem Weitermachen

Einer ihrer eindringlichsten Sätze lautet: „Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels.“ Ein Satz, der schockiert – und dennoch nicht verzweifelt klingt. Er zeigt: Miriam Margolyes ist nicht religiös vertröstet, sie ist realistisch. Für sie endet das Leben – Punkt. Und trotzdem lebt sie es, intensiv, bewusst und offen für alles, was noch kommt.
Sie will nicht glorifizieren oder schönreden. Sie will wahrhaftig sein. Und das ist sie – bis zum Schluss. Ihre Botschaft ist keine Hoffnung im klassischen Sinne, sondern eine Ermutigung, sich der Realität zu stellen. Mit Klarheit, Mut und Neugier. Weil jedes bewusste Leben – selbst kurz vor dem Ende – ein starkes Leben ist.