
Tausende Mütter stehen täglich unter Strom: Haushalt, Job, Erziehung – und kaum ein Moment für sich. Viele kämpfen über Jahre hinweg allein gegen Erschöpfung, Schlafmangel und Überforderung. Eine Mutter-Kind-Kur könnte helfen, wieder Kraft zu schöpfen.
Doch das System ist überlastet, die Plätze rar, die Wartezeiten lang. Wie belastend der Alltag für viele Frauen wirklich ist, zeigt das Beispiel zweier Mütter, die endlich zur Ruhe kommen konnten – zumindest für drei Wochen.
1. Job, Haushalt und Kind: Wenn nichts mehr geht

Stephanie Pokolm ist Mutter von Zwillingen. Ihr Alltag besteht aus Arztterminen, Hausaufgaben, Einkäufen und Pflege. „Irgendwann konnte ich nicht mehr“, sagt sie offen. Auch Jannike Wohlers kennt die Dauerbelastung – mit fünfjährigen Zwillingen und einem Kleinkind.
Beide Frauen mussten sich ihre Auszeit hart erkämpfen. Eine Kur erschien lange unerreichbar. Was sie heute sagen: Es hätte nicht länger so weitergehen dürfen. Sie waren ausgelaugt, bevor sie sich Hilfe holten.
2. Völlig erschöpft: So kommen die Mütter an

Wenn die Frauen ankommen, sind sie körperlich und emotional am Ende. Schlafstörungen, chronische Erschöpfung, depressive Verstimmungen – fast alle bewerten ihren Zustand mit 8 bis 10 auf der Belastungsskala. Viele weinen beim ersten Arztgespräch, weil sie sich zum ersten Mal wirklich gesehen fühlen.
Auch Jannike Wohlers erinnert sich: „Meine Kinder haben gemerkt, dass es mir schlecht geht – das hat es noch schlimmer gemacht.“ Der Kurstart ist oft ein erster Schritt zur Selbstfürsorge.
3. Ein Jahr Wartezeit für drei Wochen Pause

Die Mutter-Kind-Kur in Büsum bot beiden Frauen erstmals eine echte Verschnaufpause. Doch bis dahin war es ein langer Weg: Durchschnittlich 15 Monate dauert es, bis Mütter überhaupt einen Platz bekommen. Anträge, überlastete Beratungsstellen und fehlende Kapazitäten bremsen den Zugang aus.
Die Plätze sind rar, der Bedarf riesig. Rund 100.000 Mütter bitten jedes Jahr um Hilfe – viele scheitern oder müssen lange durchhalten, bis sie tatsächlich eine Kur antreten dürfen.
4. Entspannen lernen – eine neue Erfahrung

Was banal klingt, fällt vielen schwer: Einfach mal nichts tun. Die Frauen sind es gewohnt, ständig zu funktionieren. Doch genau das wird in Büsum gezielt unterbrochen. Mit Wassergymnastik, Walken, Massagen und Gesprächen lernen die Mütter, wie sich Entlastung anfühlen kann.
Stephanie Pokolm beschreibt, wie sie anfangs vor Stress fast explodierte – und dann lernte, langsam runterzufahren. Für viele wird der Kurort zum Wendepunkt. „Nach drei Tagen sind sie wie ausgewechselt“, sagt eine Ärztin.
5. Gespräche, Austausch – und endlich verstanden werden

Ein wichtiger Bestandteil der Kur ist der Austausch mit anderen Frauen. In den Gesprächen merken die Mütter schnell: Ich bin nicht allein. Die ständige Überforderung ist kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem.
Viele fühlen sich entlastet, einfach nur durch das Zuhören – und weil sie ehrlich sagen dürfen, wie schlecht es ihnen geht. Der soziale Rückhalt, der hier entsteht, ist für viele Mütter entscheidend und wirkt lange über die Kur hinaus nach.
6. Praktische Hilfe für den Alltag danach

Drei Wochen sind kurz – doch es geht nicht nur um Erholung. Die Mütter erhalten konkrete Werkzeuge für zu Hause. Entspannungstechniken, autogenes Training, Strategien zur Selbstorganisation: Alles zielt darauf ab, dem Hamsterrad auch im Alltag zu entkommen.
Jannike hat etwa gelernt, ihren Kindern mehr zuzutrauen und sich selbst öfter zurückzunehmen. Auch das Einfordern von Zeit für sich selbst wird geübt – für viele eine völlig neue, aber notwendige Erfahrung.
7. Geht es mir gut, geht es den Kindern gut

Dieser Satz bringt es auf den Punkt. Nur gesunde Mütter können gute Mütter sein. Trotzdem empfinden viele Schuld, wenn sie sich Zeit für sich nehmen. In Büsum lernen sie, dass Selbstfürsorge kein Luxus ist – sondern Überlebensstrategie.
Ob ein Kaffee allein in der Stadt oder eine halbe Stunde in der Badewanne mit „Bitte nicht stören“-Schild: Jede kleine Insel hilft. Die Ärztin Antje Busch wünscht sich, dass die Frauen auch zu Hause wieder Prioritäten setzen – bei sich selbst.
8. System überfordert – doch Hoffnung bleibt

Rund ein Viertel aller Mütter in Deutschland ist laut Müttergenesungswerk überlastet. Doch es gibt nur 372 Kurplätze bundesweit – viel zu wenig für den Bedarf. In Büsum rufen jedes Jahr tausende Frauen unter Tränen an – viele können nicht aufgenommen werden. Die Aktion „100.000 Mütter vor dem Brandenburger Tor“ soll Druck machen.
Für mehr Plätze, mehr Personal – und mehr Wertschätzung. Denn jede Mutter, die sich um Hilfe bemüht, hat es verdient, diese auch zu bekommen.